Eine recht private Sache: Wer kann klagen, wenn ihm/ihr Inhalte in der Biografie nicht gefallen?

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Die juristische Sicht auf die Welt der Biografien

Darf ich das schreiben? Was ist, wenn sich einer der Verwandten, die im Text vorkommen, auf den Schlips getreten fühlt? Kann das auch rechtliche Folgen haben? Fragen wie diese schleichen sich beim Schreiben immer wieder ins Bewusstsein. Bei Büchern, die verkauft werden, also mit ISBN-Nummer versehen sind, scheint die Sache klar. Die Autorin und der Verlag müssen eine Vielzahl an gesetzlichen Bestimmungen beachten, um alle Rechte der handelnden Personen zu wahren. Meine Biografien und Familienchroniken  dagegen sind privat, also nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Und dennoch! Die rechtlichen Fragen tauchen zudem immer wieder im Club der freudigen Biograf:innen auf – ist ist also Zeit, Jurist:innen zu fragen und genauer zu recherchieren, worauf es vor Gericht ankommt. Ich konnte dabei ein wenig Licht ins rechtliche Dunkel bringen – es wurde aber auch klar: Es ist nicht immer eindeutig, sondern Sache der richterlichen Einschätzung. Und wie immer gilt: Wo kein Kläger, da kein Richter!

Was Biograf:innen wissen sollten

Meist werden Privatbiografien in kleiner Auflage gedruckt (ca. 20 Exemplare) und innerhalb der Familie und im Freundeskreis verschenkt. Ist das schon öffentlich beziehungsweise ab wann gilt eine Biografie als öffentlich?

Es handelt sich um nicht allgemein bekannten Personen des öffentlichen Lebens oder auch um völlig unbekannte Privatpersonen. Somit ist die Verletzung durch die Beigabe des Bildes zum Text noch verschärft, denn es wird eine „Prangerwirkung“ erzielt, weil die Person des Angegriffenen damit erst einer breiten Öffentlichkeit auch optisch kenntlich gemacht wird.

Unerheblich ist, auf welchem Weg die Informationen über diese Personen verbreitet werden. Alle Informationen, die eine bestimmte Person „identifizierbar“ machen, sind zu berücksichtigen. Das kann ein Foto, ein gemaltes Portrait oder auch ein Text sein.

Die Veröffentlichung des Bildes kann in diesen Fällen nur durch ein höhergradiges Veröffentlichungsinteresse des Bildverbreiters gerechtfertigt sein. Es geht also um eine Interessensabwägung. Vor Gericht stehen einander die beiden Interessen – Veröffentlichung der Geschichte und die Geheimhaltung – gegenüber. Man kann sich das so vorstellen, dass beide Interessen auf einer Waage liegen und der Richter/die Richterin entscheidet, welches schwerer wiegt. Bei Privatbiografien ist auf unserer Seite der Waage das „Interesse an der Veröffentlichung der Geschichte“ zu berücksichtigen, wobei bereits eine Schutzmaßnahme getroffen wurde, da das Buch nur einem bestimmten Personenkreis zur Verfügung gestellt werden soll. Der Richter/die Richterin entscheidet immer im Einzelfall und unter Betrachtung des täglichen Lebens.

Die handelnden Personen sind in der Regel keine Prominenten. Worauf muss ich also ganz allgemein bei den Texten und den Bildern achten, die in einer Privatbiografie enthalten sind?

Es geht um die Vertraulichkeit! Laut Gesetz ist eine Mitteilung – also auch die Biografie – dann nicht öffentlich, wenn sie nach den Umständen des Falles als „vertraulich“ anzusehen ist. Das heißt, dass sie nur für einen vorab definierten Personenkreis zur Verfügung stehen. Der Vertraulichkeit steht nicht entgegen, dass sie mehreren Personen zugänglich wird (zum Beispiel der Sekretärin des Adressaten). Wichtig ist, die Vertraulichkeit zu kommunizieren, also den Adressaten eindeutig zu verstehen zu geben, dass sie die Mitteilung (Biografie) nicht weitergeben sollen.

Die Vertraulichkeit wäre nämlich schon dann nicht mehr gegeben, wenn mit einer Weitergabe an außenstehende Personen aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls gerechnet werden muss. Dabei ist entscheidend, ob der Mitteilende bei Weitergabe dieser mit deren vertraulichen Behandlung rechnen kann oder ob die Gefahr der Weiterverbreitung besteht. So ist zum Beispiel bei Institutionen, die einer gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht unterliegen, mit einer vertraulichen Behandlung zu rechnen.

Rechtlich von Bedeutung wird es erst mit einer Verletzung der Persönlichkeitsrechte oder einer rufschädigenden Behauptung.

Wie soll ich mit persönlichen Daten von in die Geschichte involvierten Personen (Nachnamen usw.) umgehen? Wie kann man Personen überhaupt unkenntlich machen? Beispiel: Ich nenne keine Namen, aber den Ort – und im Dorf weiß jeder, wer der Polizist 1957 war!

Namen und Bilder sind gleich zu behandeln. Bei beiden handelt es sich um personenbezogene Daten, weil diese in der Regel die Identifikation einer bestimmten natürlichen Person möglich machen. Eine Anonymisierung würde bedeuten, fiktive Namen und verpixelte Bilder zu verwenden. Das würde das Problem rechtlich auflösen. Wenn – wie im Beispiel des Dorfpolizisten – trotz Nicht-Verwendung des Klarnamens eine bestimmte Person identifizierbar ist, gilt wieder die Interessensabwägung – also die Frage, welche Interessen schwerer wiegen.

Wie kann ein Eingangsstatement formuliert sein, um juristisch die Privatsphäre zu garantieren, sollte ein Text doch einmal öffentlich werden? Gibt es dafür gesetzliche Textbausteine, die man adaptieren könnte?

Das kann man so formulieren: „Die gegenständliche Biografie wurde im Auftrag von XXX zur ausschließlichen privaten Verwendung erstellt. Dazu wurden xxx Exemplare gedruckt. Jede
Weiterverwendung, insbesondere Veröffentlichung, ganz oder teilweise, in welchem
Medium und/oder auf welche Weise auch immer, war bzw. ist nicht intendiert und
wird ausdrücklich nicht gestattet.“

Wer kann klagen, wenn ihm/ihr etwas nicht passt?

Das ist, ohne einen konkreten Anlassfall, sehr schwierig zu beantworten. Ein möglicher Sachverhalt könnte aber sein: Eine Person wird in der Biografie genannt, diese wird in welcher Weise auch immer veröffentlicht und die ungewollt genannte Person möchte sich dagegen wehren. Dann ist der Rechtsweg nach § 1330 ABGB – wie bei Journalist:innen bei unwahren oder kreditschädigenden Aussagen – oder wegen Eingriff in das Recht auf Geheimhaltung/Datenschutz möglich.

Können auch Angehörige von Verstorbenen in deren Namen klagen?

Grundsätzlich klagt jeder und jede im eigenen Fall, also was die eigenen Daten betrifft. Es gibt aber auch postmortale Persönlichkeitsrechte, die dann geltend gemacht werden können, wenn der eigentlich Betroffene bereits verstorben ist. In diesem Fall ist die Interessensabwägung etwas anders als bei einer lebenden Person, das bedeutet, dass der Angehörige großes Interesse in die bildlich gesprochene Waagschale werfen muss, um Recht zu bekommen! Es geht vor allem darum, dass die Person oder ihr Ansehen nicht herabgewürdigt werden.

Wer im Internet nach Fotos und Informationen sucht, sollte das Urheberrecht im Blick haben.

Manchmal werden Informationen und Bilder aus dem Internet für die Privatbiografien verwendet: Wie genau muss man diese Quellen angeben und darf man die Inhalte auch zusammenfassen?

Grundsätzlich hat der Urheber ein Recht auf Namensnennung. Auf dieses Recht kann der Urheber verzichten, darauf würde ich mich aber gerade bei Informationen/Bildern aus dem Internet in keinem Fall verlassen. Daher ja, Quellen/Urheber immer benennen. Hintergrund sind auch Bildrechte, die geltend gemacht werden können, und für die dann eine Lizenzgebühr verlangt wird.

Das Urheberrecht sieht aber noch weitere Rechte vor, etwa das Verwendungsrecht. Fotograf:innen können diese Verwendungsrechte in unterschiedlichen Spielarten erteilen: einmalig zu einem bestimmten Zweck (zum Beispiel für eine Veranstaltung, für ein Buch), zeitlich befristet auf eine bestimmte Dauer, örtlich beschränkt auf das Staatsgebiet Österreich. Deshalb sollte man den Urheber/die Urheberin immer fragen, bevor man ein Bild verwendet.

Ob man einen Text zusammenfasst oder wortwörtlich verwendet, ändert nichts daran, dass die Quelle genannt werden muss. Es geht im Urheberrecht um die eigentümliche, einzigartige, kreative Schöpfung.

Was muss ich berücksichtigen, wenn ich mein Buch zuerst privat und erst Jahre später öffentlich auflegen möchte?

In diesem Fall sollte man die Einverständniserklärung der Protagonist:innen einholen. Bei allen anderen Personen gilt wieder die Interessensabwägung oder man arbeitet mit Anonymisierung.

Wie schon gesagt, geht es auch um den Zusammenhang zwischen Text und Bild: Diesen muss man bei im öffentlichen Leben stehenden Personen, die zwar der Öffentlichkeit namentlich oder nach ihrer Funktion bekannt sind, deren Aussehen jedoch nur ein beschränkter Teil der hierfür interessierten Öffentlichkeit kennt, genauso beachten wie bei Privatpersonen. Steht der Abgebildete nicht im öffentlichen Leben, wird durch die Bildveröffentlichung die Identifikationsmöglichkeit womöglich erst geschaffen. Ist jedoch die abgebildete Person allgemein bekannt, dann werden ihre Interessen durch die Bildveröffentlichung selbst in aller Regel nicht beeinträchtigt.

Achtung auch bei bereits öffentlichen Bildern: Nur, weil ein Foto etwa auf einer bestimmten Social-Media-Plattform verwendet wird, bedeutet das nicht, dass die darauf zu sehende Person damit einverstanden ist, dass das Foto in jedem Kontext verwendet werden darf, ganz im Gegenteil.

Soll man Begriffe, die heute nicht mehr gesellschaftsfähig sind (zum Beispiel das N*Wort), in Zitaten überhaupt noch verwenden, abkürzen oder besser ganz weglassen?

Das ist keine rechtliche Frage, sondern eine Frage der Einstellung. Man kann argumentieren, dass zum Beispiel das N*Wort eine Bezeichnung für einen historischen Sachverhalt ist. Wird dieses für eine bestimmte Person verwendet, sollte das immer nur auf Basis von Fakten geschehen (zum Beispiel als Auszug aus einem Parteibuch).

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