Von den Profis lernen: Wie lustig darf das Leben sein?

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Interview mit einer Clownkünstlerin

Ursula Teurezbacher ist Trainerin, Improtheaterspielerin, Clownkünstlerin, CliniClown und Mutter. Gemeinsam mit Christian Freisleben hat sie das Projekt LebensBlüten gestartet, das sind Biografien, die mit der eigenen Stimme gesprochen werden – eine Art Mini-Hörbuch.

Ich habe mit ihr über Humor und ihre Hör-Biografien gesprochen und mir ein paar Tipps geholt für gute Fragen, perfekte Pointen und lustige Texte. Dazu gibt’s auch eine Übung aus dem Magazin „SchreibRÄUME“

„Humor ist eine Haltung. Dazu gehört auch Selbstironie, also über sich lachen zu können und zuzulassen, dass andere mitlachen. Und dass einem nichts zu blöd ist.“

Es gibt in jeder Biografie auch lustige Momente – welchen Stellenwert sollen sie haben?

Ursula: Einen sehr wichtigen Stellenwert. Humor ist ein feines Stilmittel, um etwas aufzulockern und die schweren Phasen heller zu machen. Im Leben geht es auf und ab und es ist wichtig, die unterschiedlichen Phasen wertzuschätzen. Die humorvollen Erlebnisse geben besonders viel Kraft und wenn man in seiner Biografie diese Episoden liest, schmunzelt man vielleicht wieder und hat gleich ein Lächeln auf den Lippen.

Wenn ich jetzt eine Lebensgeschichte aufschreibe, nach welchen humorigen Episoden könnte ich gezielt fragen?

Ursula: Eine gute Frage ist: Was ist das Peinlichste, was dir je passiert ist? Im Moment des Ereignisses ist das natürlich furchtbar, nach ein bis zwei Jahren kann man es aber als Pointe erzählen und darüber lachen. Lustige Anekdoten sind oft auch Streiche, die man in der Kindheit gespielt (bekommen) hat. Oder man fragt nach Faschings-Erlebnissen und Lieblingswitzen. In meinen Humor-Workshops (meist intern in Organisationen) gibt es die Übung mit dem Titel: Humor-Energie-Bilanz. Dabei werden diese Fragen gestellt, zum Beispiel auch: Mit welchen Menschen kannst du gut lachen? Erinnerst du dich an einen Moment, in dem du so richtig ausgelassen warst?

Woran erkennt man, ob jemand Humor hat?

Ursula: Das sind meist sehr offene Menschen, die neugierig und interessiert sind. Sie nehmen sich auch selbst nicht allzu wichtig und alles nicht so ernst. Man erkennt sie an einem freundlich-sympathischen Auftreten. Humor ist eine Haltung. Dazu gehört auch Selbstironie, also über sich lachen zu können und zuzulassen, dass andere mitlachen. Und dass einem nichts zu blöd ist.

Du bist auch Cliniclownkünstlerin – welche Art von Humor hilft in schwierigen Situationen?

Ursula: Die Ablenkung hilft, aus dem Krankenhausalltag herauszutreten. Außerdem spiegelt der Clown mit seiner Naivität die Hilflosigkeit des Patienten und gibt diesem dadurch Kraft und Stärke zurück. Wichtig ist auch die freundliche Zuwendung des Clowns. Und manchmal wirkt die Schadenfreude, wobei sich immer alles in Wohlgefallen auflöst. Es geht darum, miteinander zu lachen, nicht jemanden auszulachen.

Ich schreibe auch Geschenktexte, Märchen, Gedichte – wie kann man da Humor unterbringen?

Ursula: Situationskomik ist ein gutes Mittel. Man beobachtet dafür Menschen und notiert Erlebnisse, in denen man selbst schmunzeln musste. Das kann man gut verarbeiten. Für Geschenke ist es auch nett, wenn man liebevoll die Fehler und Unzulänglichkeiten des anderen karikiert. Zum Beispiel in einem Gedicht. Dieser fühlt sich dann ertappt, kann aber schmunzeln. Es sollte also für jemanden sein, der über sich lachen kann.

Wie schafft man eine gute Pointe?

Ursula: Mit einem Überraschungseffekt, also einer Wendung der Geschichte, mit der niemand rechnet.

Im Magazin Schreibräume 2/2021 findet man dazu ein ganzes Wörterbuch des Humor Writing. Unter J wie Joke heißt es: Ein Witz besteht aus einem Set-up (Spannungsaufbau) und einer Punchline (Überraschung, Einladung). Normalerweise soll das Set-up kurz und knackig sein, aber Ausnahmen bestätigen die Regel. Zum Üben empfielt es sich zu verhandenen Set-ups verschiedene Punchlines zu erfinden, von Nonsens über banal bis superdicht.

Du machst Hör-Biografien. Welchen besonderen Wert hat die Stimme für Angehörige?

Ursula: Die Stimme ist etwas ganz Persönliches und hat eine charakteristische Note. Das geht so tief. Die Stimme ist ein verbindendes Element, man kennt die Stimme der Mutter schon im Mutterleib. Als meine Omas starben, wurde mir bewusst: Die Stimme verblasst als erstes, während die Bilder im Kopf länger bleiben. Mit unseren HörBlüten machen wir sie haltbar, sodass man sie immer wieder anhören kann.

Was ist deine erste Frage an die Biograflinge, wenn du sie für die HörBlüten interviewst?

Ursula: Ich frage nach dem Namen, ob es einen Spitznamen gibt, wie er/sie in der Kindheit genannt wurde und in der Familie. Ich frage auch nach dem Ursprung des Namens, wer in gegeben hat und warum. Das ist spannend und erzählt schon viel über einen Menschen. Die Interviews dauern meist zwei bis zweieinhalb Stunden, daraus entstehen 20 Minuten HörBlüten.

Für wen machst du die HörBlüten?

Ursula: Hauptzielgruppe sind Menschen mit lebensverkürzender Diagnose. Aber man weiß eigentlich nie, wie lange das Leben noch dauert. Die Auseinandersetzung mit der Endlichkeit ist für mich essentiell. Erst dann kann man genießen, was man hat. Die HörBlüten sind also auch für Menschen, die sich mit der eigenen Geschichte auseinandersetzen wollen. Wir reden über die hellen Seiten und über die Erkenntnisse aus den Schattenseiten. Im Fokus steht also nicht die Krankheit, sondern die Lernreise. Es sind sehr reflektierte Gespräche, bei denen die emotionalen Höhepunkte des Lebens zur Sprache kommen: Geburten, Hochzeit, Menschen, die einen bereichert haben. Wir reden auch über die Stärken, die einen weitergebracht haben. Es ist ein wertschätzender Blick auf alles, was man geschafft hat und wie fein man ist.

Schreibidee süß-sauer

Ebenfalls aus dem Magazin Schreibräume 2/2021 ist diese Übung aus dem Humor Writing: eine Ode an die Unzulänglichkeit.

Schritt 1: Suche eine gemeinhin als ungünstig geltende Eigenschaft aus, über die du schreiben möchtest. Am besten eine, die bei einem selbst sehr ausgeprägt ist.

Schritt 2: Verfasse spontan eine Lobeshymne auf diese Eigenschaft: Wie erleichtert sie das Leben? Warum möchtest du sie nicht missen? Mache eine Liebeserklärung und trage dick auf dabei – Stichwort: Minnesang.

Schritt 3: Die Apologie, also Verteidigungsrede, nun vortragen – mit Pathos!

Viel Spaß dabei! Schickt mir gern eure Texte… Die lustigsten werden hier veröffentlicht.

Mehr über mich, meine Leben und meinen Werdegang findet ihr hier!

Ich bin aber auch sehr neugierig. Was fasziniert euch am Schreiben? Habt ihr das biografische Schreiben schon ausprobiert? Was sind die süß-sauren Momente in eurem Leben? Und wer weiß ein gutes Rezept für Ribiselkuchen? 😉

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