Interview mit einer Autorin
Christa Prameshuber ist Linzerin, lebt aber schon seit 30 Jahren in der Schweiz. Mit ihren drei Großtanten hat alles begonnen – seit sie sich mit den Biografien der rebellischen Frauen auseinandergesetzt hat, schreibt sie auch. Bücher. Und Kurzgeschichten. Manchmal auch Gedichte.
Ihr neuestes Werk handelt von ihren Erfahrung als Turmeremitin im Linzer Mariendom:
„Stille Rebellinnen“ – Persönliche Geschichten aus dem Turmzimmer (Trauner Verlag)
An dem Tag, an dem ich sie zum Interview treffe, wird sie in den Österreichischen Schriftsteller/innenverband aufgenommen. Sie strahlt übers ganze Gesicht und beantwortet alle meine Fragen übers Schreiben und ihre Geschichten.
Seit wann schreibst du – und wie hat es angefangen?
Ich habe mein Leben lang Tagebuch geschrieben. Mehr nicht. Erst vor 15 Jahren wollte ich meinen Nichten in Rom (meine Schwester lebt dort) Geschichten aus ihrer österreichischen Familie erzählen. Und als meine Schwester das las, sagte sie, dass ich daraus auch ein Buch machen könnte. Also begann ich genauer nachzuforschen. Ich musste schließlich die Geschichten, die ich kannte, verifizieren. Schließlich habe ich über jede der drei Großtanten eine Biografie geschrieben, die alle im Trauner Verlag erschienen sind:

Wie und wo man Geschichten findet
Wie bist du bei der Recherche vorgegangen – schließlich waren die Frauen, über die du geschrieben hast, bereits verstorben?
Ich hatte viele Briefe und Tagebücher und habe auch meine Familie gefragt und die Schülerinnen meiner Großtante kontaktiert, die mir viele Geschichten erzählten, die ich noch gar nicht kannte.
Was mir sehr geholfen hat, war das oberösterreichische Landesarchiv, hier fand ich sehr viele wertvolle Informationen. Deshalb mein Tipp: Schaut ins Archiv. Wenn man eine Biografie schreibt, ist es sinnvoll, ein Gerüst aus Daten zu haben. Ich sah mir außerdem die Zeit an, in der sie gelebt haben. So konnte ich meine Geschichten einordnen und ihnen einen chronologisch-historischen Rahmen geben. Zum Beispiel wusste ich über ein Treffen der Zeugen Jehovas, bei dem meine Großtante dabei war – damals wurde der Weltuntergang vorhergesagt. Und tatsächlich fand ich im Archiv Unterlagen über dieses Treffen.
Wie kommst du zu den Themen für deine Geschichten, wenn du nicht gerade über deine Familie schreibst?
Die Geschichten kommen zu mir. Eine Freundin schickte mir beispielsweise eine Ausschreibung: Man sollte auf einen Brief von Angelika Kaufmann antworten, den sie 1611 geschrieben hatte. Auf diese Idee wäre ich allein nicht gekommen. Ich stöbere oft auf den Seiten mit den Ausschreibungen der Verlage und lasse mich inspirieren, zum Beispiel hier: https://schreiblust-verlag.de/wettbewerbstipps
Gemeinsam und in fremder Sprache
Was hältst du vom Schreiben in der Gruppe?
Sehr inspirierend. Meine besten Quellen für Geschichten sind Schreibwerkstätten – da kommt man auf sehr gute Ideen. Ich habe schon viele Schreibseminare besucht, in der Schweiz und in Österreich. Ich schreibe auch in einer Gedichte-Gruppe – mit der richtigen Anleitung und Struktur kann man auch das.
Außerdem – und das ist auch ein Tipp von mir – habe ich Schreibworkshops im fremdsprachigen Ausland besucht. Ich war beim „Creative Writing“ in San Francisco und hab hier so viel gelernt, weil ich mich mit meinem begrenzten Wortschatz auf das Wesentliche konzentrieren konnte. Auch auf Französisch habe ich bereits eine Schreibwerkstätte besucht. Damals bekamen wir sechs ausgefallene Wörter und mussten mit diesen in einer Stunde eine Kurzgeschichte schreiben. Ich war die Einzige, die fertig wurde, weil ich gar nicht so viel schreiben konnte. Also habe ich gewonnen.
Das ist auch ein wichtiger Tipp: Halte dich an die Regeln, also schreibe nach den Vorgaben, die ein bestimmtes Genre verlangt. Mit der Zeit lernt man, die jeweils richtigen Gedanken aus seinem Gedächtnis zu holen.
Wo und wieviel schreibst du?
Ich schreibe, wenn ich Zeit habe. Viele Texte entstehen am Abend, während mein Mann Fußball schaut. Ich schreibe natürlich jeden Tag, E-Mails oder andere sachliche Texte, aber zwei bis drei Tage pro Woche schreibe ich literarisch.
Ich schreibe meist zu Hause, das macht mich glücklich, Und wenn ich glücklich bin, schreibe ich gut. Man braucht Gefühle zum Schreiben. Das können natürlich auch Traurigkeit oder Schmerz sein.
Von Fäden, Anfängen und Killer-Fantasien
Was ist dein wichtigstes Learning übers Schreiben?
Meist unterschätzt man seine Fähigkeiten. Schreiben ist ein Entwicklungsprozess. Je mehr man sich austauscht und gute Kurse besucht, umso mehr nimmt man mit.
Von der Bestseller-Autorin Milena Moser weiß ich beispielsweise, dass sie sehr diszipliniert ist. Sie hat auch geschrieben, wenn ihr nichts eingefallen ist, dann stand eben blablabla auf ihrem Blatt. Aber sie war im Prozess. Mittlerweile hat sie mehr als 20 Bücher veröffentlicht.
Mein Tipp: Es ist wichtig, dass man sich Zeit nimmt fürs Schreiben.
Wie findest du den roten Faden einer Geschichte?
Ich schreibe immer zuerst den Anfang und das Ende, und dann erst alles, was dazwischen passiert. Das ist meine Art der Herangehensweise.
Der berühmte erste Satz – was muss er haben?
Das kommt auf das Genre an. In einer Kurzgeschichte sollte man im Jetzt einsteigen. Mit etwas Spontanem anfangen, für Furore sorgen. Bei einer Biografie braucht es den Auftritt einer Person. Es kann auch ein historischer Einstieg sein oder man beginnt am Ende der Geschichte.
Ich empfehle hier das Buch „Erste Sätze der Weltliteratur und was sie uns verraten“– je nachdem, was es ist, wird auch der Anfang anders geschrieben.
Worauf kommt es an, damit ein Text richtig gut wird?
Man muss darauf achten, welches Genre man schreibt. Ich habe mir das immer sehr genau angeschaut. Eine Kurzgeschichte folgt einer besonderen Struktur. Genauso ein Essay oder eine Biografie.
Wenn der Text dann fertig ist, ist es wichtig, ihn ruhen zu lassen und nach einiger Zeit nochmals anzuschauen. Man sieht ihn dann oft anders und muss manches streichen. „Kill your darlings“ – das ist ein berühmter Ausspruch und er stimmt: Vieles ist einfach zu lang. Ich finde es auch wichtig, mit einer Lektorin oder einem Lektor zu arbeiten. Ich war immer dankbar für Korrekturen.
Was kannst du mir über das Schreiben von Dialogen sagen?
Das ist schwierig. Bei mir schreiben sie sich nicht von selbst, ich habe viel darüber in den Kursen gelernt. Kurz und bündig soll ein Dialog sein – und auf eine Art, wie man wirklich spricht.
Wie gehst du beim Überarbeiten vor?
Zuerst lese ich die Texte laut, denn man hört sofort, wo es eckig ist. Danach überarbeite ich die Texte immer und immer wieder – mein Fehler dabei ist, dass ich den Anfang am öftesten lese. Also habe ich mir vorgenommen, bewusst nur den Mittelteil oder nur den Schluss anzuschauen. Und ich suche mir immer jemand, der mich kritisiert. Kritik ist ein Informationsgeschenk.
Zum Schluss noch etwas Persönliches
Was möchtest du gern schreiben können, was du noch nicht kannst?
Ich möchte gern ein Theaterstück schreiben und habe damit auch schon einmal begonnen. Allerdings ist dann der Computer gemeinsam mit meinem Stück abgestürzt. Ich habe aber schon eine Vorstellung, wie das Theaterstück aussehen könnte.
Arbeitest du auch mit der Künstlichen Intelligenz?
Bevor ich mit dem Schreiben beginne, sammle ich meine Gedanken und recherchiere, um sicherzugehen, dass meine Erinnerungen auch stimmig sind. Und dabei lasse ich mir gern von der KI helfen. Wenn ich also über ein Thema nachdenke, befrage ich dazu die KI. Man muss aber die richtigen Fragen stellen. Kluge Fragen. Man muss die KI mit dem eigenen Wissen füttern, dann kommen gute Ideen heraus.
Schreibst du schon an deiner eigenen Biografie?
Noch nicht, aber ich habe schon einen Titel: Was haben wir bei diesem Kind falsch gemacht.
Christas Profi-Tipps für gutes Schreiben

Recherche ernst nehmen:
Für glaubwürdige Geschichten hilft es, in Archiven zu stöbern, alte Briefe oder Tagebücher zu lesen und den historischen Kontext zu erfassen.Inspiration von außen zulassen:
Ausschreibungen, Schreibwettbewerbe oder ungewöhnliche Aufgabenstellungen bringen neue Ideen.Mit anderen schreiben:
Schreibgruppen, Workshops oder Schreibwerkstätten – auch in anderen Sprachen – fördern Kreativität und neue Perspektiven.Genres kennen und beachten:
Jede Textsorte (z. B. Kurzgeschichte, Biografie, Essay) hat eigene Regeln und Strukturen, an die man sich halten sollte.Regelmäßig schreiben – auch ohne Idee:
Schreiben ist ein Prozess. Disziplin zählt mehr als perfekte Eingebung. Auch „blablabla“ kann ein Anfang sein.Anfang und Ende zuerst schreiben:
Wer Start- und Zielpunkt kennt, kann den Mittelteil gezielter entwickeln und behält leichter den roten Faden.Texte laut vorlesen beim Überarbeiten:
So hört man sofort, wo der Text holpert. Wichtig ist auch, nicht nur den Anfang immer wieder zu lesen.Dialoge realistisch halten:
Dialoge sollten kurz, prägnant und natürlich klingen – so wie echte Gespräche.Mut zum Kürzen:
„Kill your darlings“ – Überflüssiges rauswerfen, auch wenn es schwerfällt. Klarheit und Kürze machen Texte stark.Kritik als Geschenk sehen:
Feedback – ob von Lektor:innen oder Schreibkolleg:innen – hilft beim Wachsen. Offenheit dafür lohnt sich.
Mehr über mich, meine Leben und meinen Werdegang findet ihr hier!
Ich bin aber auch sehr neugierig. Was fasziniert euch am Schreiben? Habt ihr das biografische Schreiben schon ausprobiert? Was sind die süß-sauren Momente in eurem Leben? Und wer weiß ein gutes Rezept für Ribiselkuchen? 😉
Danke für die vielen Informationen! Ich habe wieder einiges dazugelernt: Macht Spaß!